Fernando aus Brasilien interessiert das politische System der
Bundesrepublik Deutschland. Ich werde versuchen, es so einfach wie
möglich zu erklären. Dennoch wird diese Folge von Slow German sehr
kompliziert und schwer zu verstehen. Aber glaubt mir: Auch viele
Deutsche kennen das politische System nicht!
Zunächst einmal zur Struktur von Deutschland: Deutschland besteht
aus 16 Bundesländern. Die Bundeshauptstadt ist Berlin. Gegründet
wurde die Bundesrepublik am 24. Mai 1949, also vier Jahre nach Ende
des Zweiten Weltkriegs. Im Oktober wurde die Verfassung der
Deutschen Demokratischen Republik, also der DDR, in Kraft gesetzt.
Seit dem 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereinigt, also wieder
ein Land. An diesem Tag wird daher jedes Jahr der „Tag der deutschen
Einheit“ gefeiert.
Folgende wichtige Begriffe werde ich nun erklären: Bundestag,
Bundesrat, Kanzler, Präsident.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer, sozialer
Bundesstaat, genauer gesagt eine parlamentarische Demokratie. Sie ist
auch ein föderaler Rechtsstaat. Es gibt die Bundesebene und die
Landesebene. Die einzelnen Bundesländer haben eigene
Verfassungen. Wobei die Verfassung der BRD das Grundgesetz ist.
Das heißt: Jedes Bundesland hat zwar eigene Gesetze, das
Grundgesetz ist aber im Zweifelsfall das entscheidende. Ein einfaches
Beispiel: In manchen Bundesländern steht in der alten Verfassung noch
drin, dass es die Todesstrafe gibt. Laut der deutschen Verfassung gibt
es sie aber nicht mehr. Also existiert sie in Deutschland nicht.
Das Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident. Er hat aber vor allem
repräsentative Aufgaben, politisch gesehen ist er also nicht sehr
wichtig. Gewählt wird er alle fünf Jahre, und zwar von der
Bundesversammlung. Dies ist die einzige Aufgabe der
Bundesversammlung. Die Bundesversammlung setzt sich zusammen
aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages und einer gleichen Zahl
von anderen Mitgliedern aus dem ganzen Land. Bei der letzten Wahl
waren es 1205 Mitglieder. Ein einziges Mal darf der Bundespräsident
wiedergewählt werden, dann wäre er also 10 Jahre im Amt. Die nächste
Wahl findet am 23. Mai 2009 statt. Der momentane Bundespräsident
heißt Horst Köhler, und eine weitere Kandidatin ist eine Frau – Gesine
Schwan. Angeblich verdient der Bundespräsident 199.000 Euro pro
Jahr (2007).
Der Regierungschef ist der Bundeskanzler. Er wird vom Bundestag
gewählt. Vorher hat ihn der Bundespräsident vorgeschlagen. Der
Kanzler – oder wie momentan die Kanzlerin, denn unsere Chefin ist
Angela Merkel – schlägt dann die Bundesminister vor. Kanzler und
Minister sind dann die Bundesregierung. Manchmal wird die
Bundesrepublik Deutschland auch als Kanzlerdemokratie bezeichnet,
weil der Kanzler eine sehr starke Stellung hat. Ein Kanzler kann beliebig
oft wiedergewählt werden. Helmut Kohl war am längsten deutscher
Kanzler: Von 1982 bis 1998, also 16 Jahre lang. Die Kanzlerin verdient
angeblich rund 240.000 Euro im Jahr.
Zwei wichtige Institutionen muss ich noch erklären – manchmal werden
sie von vielen Deutschen verwechselt. Es gibt den Bundestag und den
Bundesrat. Der Bundestag ist das Parlament. Er wird direkt vom Volk
gewählt. Eine so genannte Legislaturperiode, also die Zeit, in der der
Bundestag in mehr oder weniger gleicher Zusammensetzung Politik
macht, dauert in der Regel vier Jahre. Momentan gibt es im Bundestag
612 Abgeordnete aus allen Bundesländern. Der Bundestagspräsident
ist momentan Norbert Lammert. Der Bundestag schafft das
Bundesrecht und ändert die Verfassung. Er kann auch internationale
Verträge mit anderen Staaten genehmigen und beschließt den
Bundeshaushalt, also die Finanzen des Landes. Er wählt wie vorhin
schon gesagt den Bundeskanzler und kontrolliert den Einsatz der
Bundeswehr, also des Militärs.
Der Bundesrat dagegen hat andere Aufgaben: Hier sind Mitglieder aller
Bundesländer vertreten. Jedes Bundesland hat drei bis sechs
Sitzplätze, je nach Einwohnerzahl. Sie können so bei der
Gesetzgebung auf Bundesebene mitwirken. Der Bundesrat hat
momentan 69 Mitglieder und kann nicht abgeschafft werden.
Zum Schluss, auch wenn es bis hierhin schon sehr kompliziert war,
noch ein Wort zu den deutschen Parteien. Die größten Parteien in
Deutschland sind die SPD und die CDU/CSU. Die SPD ist die
Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Der letzte Kanzler, Gerhard
Schröder, war von der SPD. Die Farbe der SPD ist Rot. Die CSU gibt
es nur in Bayern, sie hat sich mit ihrer Schwesterpartei CDU
zusammengetan. Die Farbe der CDU/CSU ist Schwarz, die Abkürzung
steht für Christlich-Demokratische Union beziehungsweise Christlich-
Soziale Union. Die beiden großen Parteien haben eine Koalition
gebildet und regieren momentan gemeinsam. Kleinere Parteien sind die
FDP (gelb), die oft als Liberale bezeichnet werden, und Die Grünen
(grün), die es erst seit 1980 gibt und die sich zu Beginn ihrer Zeit vor
allem für die Umwelt eingesetzt haben. Erst seit einem Jahr gibt es „Die
Linke“, eine sehr umstrittene Partei.
So, das war also das komplizierte Thema Politik, besser gesagt das
politische System von Deutschland. Im Alltag merkt man das als
Deutscher so: Man darf wählen gehen und wählt Mitglieder des
Bundestages oder des Landtages. Dann wartet man, bis der Kanzler
gewählt wird. Oft wird kritisiert, dass wir den Kanzler nicht direkt wählen
dürfen – aber das ist ja in vielen Ländern so.
Zum Abschluss noch etwas Musik, und zwar von Markus Kaes,
gesungen von Judith Jahn. Der Song heißt „Schon wieder.“ Übrigens
gibt es ein neues Tool auf slowgerman.com. Wenn Ihr mit der Maus
doppelklickt auf irgendein Wort, also zwei Mal klicken, dann seht Ihr die
englische Übersetzung. Danke an Stan für dieses Widget!