Über die Vulkane im Monde, by Immanuel Kant
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Title: Über die Vulkane im Monde
Author: Immanuel Kant
Release Date: February 3, 2012 [EBook #38755]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER DIE VULKANE IM MONDE ***
Produced by Jana Srna and Philipp Zeinlinger
[ Anmerkungen zur Transkription:
Der Text stammt aus: Immanuel Kants Werke. Band IV. Schriften von 1783-1788. Herausgegeben von Dr.
Artur Buchenau und Dr. Ernst Cassirer. Berlin: Bruno Cassirer 1913. S. 201-210 und 541 (Lesarten).
Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
Über die Vulkane im Monde, by Immanuel Kant 1
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Über die Vulkane im Monde.
Im Gentleman's Magazine, 1783, befindet sich gleich zu Anfang ein Sendschreiben des russischen Staatsrats
Herrn AEPINUS an Herrn PALLAS über eine Nachricht, die Herr MAGELLAN der Kaiserl. Akademie der
Wissenschaften in Petersburg mitgeteilt hat, betreffend einen vom Herrn HERSCHEL am 4. Mai 1783
entdeckten Vulkan im Monde. Diese Neuigkeit interessierte Herrn AEPINUS, wie er sagt, um destomehr, weil
sie seiner Meinung nach die Richtigkeit seiner Mutmaßung über den vulkanischen Ursprung der
Unebenheiten der Mondsfläche beweise, die er im Jahr 1778 gefaßt und 1781 in Berlin durch den Druck
bekannt gemacht hat(1); und worin sich, wie er mit Vergnügen gesteht, drei Naturforscher einander ohne
Mitteilung begegnet haben: er selbst, Herr AEPINUS in Petersburg, Herr Professor BECCARIA zu Turin und
Herr Prof. LICHTENBERG in Göttingen. Indessen da durch den Ritter HAMILTON die Aufmerksamkeit auf
vulkanische Kratere in allen Ländern so allgemein gerichtet worden, so sei jene Mutmaßung mit einer
überständig reifen Frucht zu vergleichen, die in die Hände des ersten besten fallen müssen, der zufällig den
Baum anrührete. Um endlich, durch Ansprüche auf die Ehre der ersten Vermutung, unter Zeitgenossen keinen
Zwist zu erregen, führt er den berühmten ROBERT HOOKE als den ersten Urheber derselben an, in dessen
Mikrographie (gedruckt 1655) im 20sten Kapitel er grade die nämlichen Ideen angetroffen habe. Sic redit ad
Dominum --
(1) Von der Ungleichheit des Monds; im 2ten Bande der Abh. der Gesellschaft naturforschender Freunde.
Herrn HERSCHELS Entdeckung hat, als Bestätigung der zweideutigen Beobachtungen des Neffen des Herrn
BECCARIA und des DON ULLOA, allerdings einen großen Wert und führt auf Ähnlichkeiten des Mondes
(wahrscheinlich auch anderer Weltkörper) mit unserer Erde, die sonst nur für gewagte Mutmaßungen hätten
gelten können. Allein die Mutmaßung des Herrn AEPINUS bestätigt sie (wie ich dafür halte) nicht. Es bleibt,
unerachtet aller Ähnlichkeit der ringförmigen Mondsflecken mit Krateren von Vulkanen, dennoch so ein
erheblicher Unterschied zwischen beiden und dagegen zeigt sich eine so treffende Ähnlichkeit derselben mit
anderen kreisförmigen Zügen unvulkanischer Gebirge oder Landesrücken auf unserer Erde, daß eher eine
andere, obzwar nur gewissermaßen mit jener analogische Mutmaßung über die Bildung der Weltkörper
dadurch bestätigt sein möchte.
Die den Krateren ähnlichen ringförmigen Erhöhungen im Monde machen allerdings einen Ursprung durch
Eruptionen wahrscheinlich. Wir finden aber auf unserer Erde zweierlei kreisförmige Erhöhungen, deren die
einen durchgängig nur von so kleinem Umfange sind, daß sie, vom Monde aus beobachtet, durch gar kein
Teleskop könnten unterschieden werden; und von diesen zeigen die Materien, woraus sie bestehen, ihren
Ursprung aus vulkanischen Eruptionen. Andere dagegen befassen ganze Länder oder Provinzen von vielen
hundert Quadratmeilen Inhalt, innerhalb eines mit höhern oder minder hohen Gebirgen besetzten und sich
kreisförmig herumziehenden Landrückens. Diese würden allein vom Monde aus, und zwar von derselben
Größe als wir jene kreisförmigen Flecken im Monde erblicken, gesehen werden können, wofern nur
Ähnlichkeit ihrer Bekleidung (durch Wald oder andere Gewächse) die Unterscheidung derselben in so großer
Entfernung nicht etwa verhinderte. Diese lassen also auch Eruptionen vermuten, durch die sie entstanden sein
mögen, die aber nach dem Zeugnis der Materien, woraus sie bestehen, keinesweges vulkanische haben sein
können. -- Der Krater des Vesuvs hat in seinem obersten Umkreise (nach DELLA TORRE) 5624 Pariser Fuß,
und also etwa 500 rheinländische Ruten, und im Durchmesser beinahe 160 derselben; ein solcher aber könnte
gewiß durch kein Teleskop im Monde erkannt werden.(2) Dagegen hat der kraterähnliche Flecken Tycho im
Monde nah an dreißig deutsche Meilen im Durchmesser und könnte mit dem Königreich Böhmen, der ihm
nahe Flecken Clavius aber an Größe mit dem Markgraftum Mähren verglichen werden. Nun sind diese
Länder auf der Erde eben auch kraterähnlich von Gebirgen eingefaßt, von welchen ebenso als von dem Tycho
sich Bergketten gleichsam im Sterne verbreiten. Wenn aber unsere durch Landrücken eingeschlossene
kraterförmige Bassins, (die insgesamt Sammlungsplätze der Gewässer für die Ströme abgeben, und womit das
feste Land überall bedeckt ist), dem Monde den ähnlichen Anblick doch nicht verschaffen sollten, -- wie es in
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der Tat auch nur von einigen zu vermuten ist --, so würde dieses nur dem zufälligen Umstande zuzuschreiben
sein, daß die Mondsatmosphäre, (deren Wirklichkeit durch die Herschelsche Entdeckung, weil Feuer daselbst
brennt, bewiesen ist) bei weitem nicht so hoch reichen kann als die unsrige (wie die unmerkliche
Strahlenbrechung am Rande dieses Trabanten es beweiset), mithin die Bergrücken des Mondes über die
Grenze der Vegetation hinausreichen; bei uns hingegen die Bergrücken ihrem größten Teile nach mit
Gewächsen bedeckt sind und daher gegen die Fläche des eingeschlossenen Bassins freilich nicht sonderlich
abstechen können.
(2) Aber seine feurige Eruption selbst könnte in der Mondsnacht gleichwohl gesehen werden. In dem oben
angeführten Briefe wird zu der Beobachtung des Neffen des Herrn Beccaria und des Don Ulloa die
Anmerkung gemacht, daß beide Vulkane von entsetzlichem Umfange gewesen sein müßten, weil Herr
Herschel den seinigen durch ein ohne Vergleich größeres Teleskop nur so eben und zwar unter allen
Mitzuschauern nur allein hat bemerken können. Allein bei selbstleuchtenden Materien kömmt es nicht so sehr
auf den Umfang als die Reinigkeit des Feuers an, um deutlich gesehen zu werden; und von den Vulkanen ist es
bekannt, daß ihre Flammen bisweilen helles, bisweilen im Rauche gedämpftes Licht um sich verbreiten. --
Wir haben also auf der Erde zweierlei kraterähnliche Bildungen der Landesfläche: eine, die vulkanischen
Ursprungs sind, und die 160 Ruten im Durchmesser, mithin etwa 20000 Quadratruten in der Fläche befassen;
andere, die keinesweges vulkanischen Ursprungs sind und gegen 1000 Quadratmeilen, mithin wohl
200000mal mehr in ihrem Flächeninhalte haben. Mit welcher wollen wir nun jene ringförmigen Erhöhungen
auf dem Monde, (deren keine beobachtete weniger als eine deutsche Meile, einige wohl dreißig im
Durchmesser haben), vergleichen? -- Ich denke: nach der Analogie zu urteilen, nur mit den letztern, welche
nicht vulkanisch sind. Denn die Gestalt macht es nicht allein aus; der ungeheure Unterschied der Größe muß
auch in Anschlag gebracht werden. Alsdann aber hat Herrn HERSCHELS Beobachtung zwar die Idee von
Vulkanen im Monde bestätigt, aber nur von solchen, deren Krater weder von ihm, noch von jemand anders
gesehen worden ist, noch gesehen werden kann; hingegen hat sie nicht die Meinung bestätigt, daß die
sichtbaren ringförmigen Konfigurationen auf der Mondsfläche vulkanische Kraters wären. Denn das sind sie,
(wenn man hier nach der Analogie mit ähnlichen großen Bassins auf der Erde urteilen soll), aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht. Man müßte also nur sagen: Da der Mond, in Ansehung der kraterähnlichen
Bassins, mit denen, die auf der Erde die Sammlungsbecken der Gewässer für Ströme ausmachen, aber nicht
vulkanisch sind, soviel Ähnlichkeit hat, so könne man vermuten, daß er auch in Ansehung der auf der Erde
befindlichen vulkanischen Kraters ähnlich gebildet sei. Zwar können wir diese letztern im Monde nicht sehen;
aber es sind doch in der Mondsnacht selbstleuchtende Punkte als Beweise eines Feuers auf demselben
wahrgenommen worden, die sich am besten aus dieser nach der Analogie zu vermutenden Ursache erklären
lassen.(3)
(3) Beccaria hielt die aus den ringförmigen Mondserhöhungen strahlenweise auslaufenden Rücken für
Lavaströme; aber der ganz ungeheure Unterschied derselben von denen, die aus den Vulkanen unserer Erde
fließen, in Ansehung ihrer Größe, widerlegt diese Meinung und macht es wahrscheinlich, daß sie Bergketten
sind, die, so wie die auf unserer Erde, aus einem Hauptstamm der Gebirge strahlenförmig auslaufen.
Diese kleine Zweideutigkeit in der Folgerung obgedachter berühmter Männer nun beiseite gesetzt, -- welcher
Ursache kann man denn die auf der Erdfläche so durchgängig anzutreffenden nichtvulkanischen Kraters,
nämlich die Bassins zu Strömen, zuschreiben? Eruptionen müssen hier natürlicherweise zum Grunde gelegt
werden; aber vulkanisch konnten sie nicht sein, weil die Gebirge, welche den Rand derselben ausmachen,
keine Materien solcher Art enthalten, sondern aus einer wässerichten Mischung entstanden zu sein scheinen.
Ich denke, daß, wenn man sich die Erde ursprünglich als ein im Wasser aufgelösetes Chaos vorstellt, die
ersten Eruptionen, die allerwärts, selbst aus der größten Tiefe, entspringen mußten, atmosphärisch (im
eigentlichen Sinn des Worts) gewesen sein werden. Denn man kann sehr wohl annehmen, daß unser Luftmeer
(Aërosphäre), das sich jetzt über der Erdfläche befindet, vorher mit den übrigen Materien der Erdmasse in
einem Chaos vermischt gewesen; daß es, zusamt vielen andern elastischen Dünsten, aus der erhitzten Kugel
gleichsam in großen Blasen ausgebrochen; in dieser Ebullition, (davon kein Teil der Erdfläche frei war), die
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Materien, welche die ursprünglichen Gebirge ausmachen, kraterförmig ausgeworfen und dadurch die
Grundlage zu allen Bassins der Ströme, womit, als den Maschen eines Netzes, das ganze feste Land
durchwirkt ist, gelegt habe. Jene Ränder, da sie aus Materie, die im Wasser erweicht war, bestanden, mußten
ihr Auflösungswasser allmählich fahren lassen, welches beim Ablaufen die Einschnitte ausspülte, wodurch
sich jene Ränder, die jetzt gebirgig und sägeförmig sind, von den vulkanischen, die einen fortgehenden
Rücken vorstellen, unterscheiden. Diese uranfänglichen Gebirge bestehen nun, nachdem andere Materien, die
sich nicht so geschwinde kristallisierten oder verhärteten, z. B. Hornstein und ursprünglicher Kalk, davon
geschieden worden, aus Granit; auf welchen, da die Ebullition an demselben Orte immer schwächer, mithin
niedriger ward, sich die letztern als ausgewaschene Materien in stufenartiger Ordnung nach ihrer mindern
Schwere oder Auflösungsfähigkeit im Wasser niederließen. Also war die erste bildende Ursache der
Unebenheiten der Oberfläche eine atmosphärische Ebullition, die ich aber lieber chaotisch nennen möchte,
um den ersten Anfang derselben zu bezeichnen.
Auf diese, muß man sich vorstellen, hat eine pelagische Alluvion nach und nach Materien, die größtenteils
schon Meergeschöpfe enthielten, geschichtet. Denn jene chaotische Kraters, wo deren eine Menge gleichsam
gruppiert war, bildeten weit ausgebreitete Erhöhungen über andere Gegenden, woselbst die Ebullition nicht
so heftig gewesen war. Aus jenen ward Land mit seinen Gebirgen, aus diesen Seegrund. Indem nun das
überflüssige Kristallisationswasser aus jenen Bassins ihre Ränder durchwusch, und ein Bassin sein Wasser in
das andere, alle aber zu dem niedrigen Teil der sich eben formenden Erdfläche (nämlich dem Meere)
ablaufen ließ, so bildete es die Pässe für die künftigen Ströme, welche man noch mit Verwunderung zwischen
steilen Felswänden, denen sie itzt nichts anhaben können, durchgehen und das Meer suchen sieht. Dieses
wäre also die Gestalt des Skeletts von der Erdoberfläche, sofern sie aus Granit besteht, der unter allen
Flötzschichten fortgeht, welche die folgenden pelagischen Alluvionen auf jenen aufgesetzt haben. Aber eben
darum mußte die Gestalt der Länder, selbst da, wo die neuern Schichten den in der Tiefe befindlichen alten
Granit ganz bedecken, doch auch kraterförmig werden, weil ihr Grundlager so gebildet war. Daher kann man
auf einer Karte, (worauf keine Gebirge gezeichnet sind), die Landrücken ziehen, wenn man durch die Quellen
der Ströme, die einem großen Flusse zufallen, eine fortgehende Linie zeichnet, die jederzeit einen Kreis als
Bassin des Stromes einschließen wird.
Da das Becken des Meeres vermutlich immer mehr vertieft wurde und alle aus obigen Bassins ablaufende
Wasser nach sich zog, so wurden nun dadurch die Flußbetten und der ganze itzige Bau des Landes erzeugt,
der die Vereinigung der Wasser aus so vielen Bassins in einen Kanal möglich macht. Denn es ist nichts
natürlicher als daß das Bette, worin ein Strom itzt das Wasser von großen Ländern abführt, eben von
demjenigen Wasser und dem Rückzuge desselben ausgespült worden, zu welchem es jetzt abfließt, nämlich
vom Meere und dessen uralten Alluvionen. Unter einem allgemeinen Ozean, wie BUFFON will, und durch
Seeströme im Grunde desselben, läßt sich eine Wegwaschung nach einer solchen Regel gar nicht denken, weil
unter dem Wasser kein Abfluß nach der Abschüssigkeit des Bodens, die doch hier das Wesentlichste
ausmacht, möglich ist.(4)
(4) Der Lauf der Ströme scheint mir der eigentliche Schlüssel der Erdtheorie zu sein. Denn dazu wird
erfordert, daß das Land erstlich durch Landrücken gleichsam in Teiche abgeteilt sei; zweitens, daß der
Boden, auf welchem diese Teiche ihr Wasser einander mitteilen, um es endlich in einem Kanal abzuführen,
von dem Wasser selbst gebauet und geformt worden, welches sich nach und nach von den höheren Bassins bis
zum niedrigsten zurückzog, nämlich zum Meere.
Die vulkanischen Eruptionen scheinen die spätesten gewesen zu sein, nämlich nachdem die Erde schon auf
ihrer Oberfläche fest geworden war. Sie haben auch nicht das Land, mit seinem hydraulisch regelmäßigen
Bauwerk, zum Ablauf der Ströme, sondern etwa nur einzelne Berge gebildet, die in Vergleichung mit dem
Gebäude des ganzen festen Landes und seiner Gebirge nur eine Kleinigkeit sind.
Der Nutzen nun, den der Gedanke obgedachter berühmter Männer haben kann, und den die Herschelsche
Entdeckung, obzwar nur indirekt, bestätigt, ist in Ansehung der Kosmogonie von Erheblichkeit, daß nämlich
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die Weltkörper ziemlich auf ähnliche Art ihre erste Bildung empfangen haben. Sie waren insgesamt
anfänglich in flüssigem Zustande; das beweiset ihre kugelrunde und, wo sie sich beobachten läßt, auch nach
Maßgabe der Achsendrehung und der Schwere auf ihrer Oberfläche abgeplattete Gestalt. Ohne Wärme aber
gibts keine Flüssigkeit. Woher kam nun diese ursprüngliche Wärme? Sie mit BUFFON von der Sonnenglut,
wovon alle planetische Kugeln nur abgestoßene Brocken wären, abzuleiten, ist nur ein Behelf auf kurze Zeit;
denn woher kam die Wärme der Sonne? Wenn man annimmt, (welches auch aus andern Gründen sehr
wahrscheinlich ist), daß der Urstoff aller Weltkörper in dem ganzen weiten Raume, worin sie sich itzt
bewegen, anfangs dunstförmig verbreitet gewesen, und sich daraus nach Gesetzen, zuerst der chemischen,
hernach und vornehmlich der kosmologischen Attraktion gebildet haben, so geben CRAWFORDS
Entdeckungen einen Wink, mit der Bildung der Weltkörper zugleich die Erzeugung so großer Grade der Hitze
als man selbst will begreiflich zu machen. Denn wenn das Element der Wärme für sich im Weltraum
allerwärts gleichförmig ausgebreitet ist, sich aber nur an verschiedene Materien in dem Maße hängt, als sie
es verschiedentlich anziehen; wenn, wie er beweiset, dunstförmig ausgebreitete Materien weit mehr
Elementarwärme in sich fassen und auch zu einer dunstförmigen Verbreitung bedürfen, als sie halten können,
sobald sie in den Zustand dichter Massen übergehen d. i. sich zu Weltkugeln vereinigen, so müssen diese
Kugeln ein Übermaß von Warmmaterie über das natürliche Gleichgewicht mit der Warmmaterie im Raume,
worin sie sich befinden, enthalten, d. i. ihre relative Wärme in Ansehung des Weltraums wird angewachsen
sein. (So verliert vitriolsaure Luft, wenn sie das Eis berührt, auf einmal ihren dunstartigen Zustand, und
dadurch vermehrt sich die Wärme in solchem Maße, daß das Eis im Augenblick schmilzt.) Wie groß der
Anwachs sein möge, darüber haben wir keine Eröffnung; doch scheint das Maß der ursprünglichen
Verdünnung, der Grad der nachmaligen Verdichtung, und die Kürze der Zeit derselben hier in Anschlag zu
kommen. Da die letztere nun auf den Grad der Anziehung, die den zerstreuten Stoff vereinigte, diese aber auf
die Quantität der Materie des sich bildenden Weltkörpers ankömmt, so mußte die Größe der Erhitzung der
letzteren auch proportionierlich sein. Auf die Weise würden wir einsehen, warum der Zentralkörper (als die
größte Masse in jedem Weltsystem) auch die größte Hitze haben und allerwärts eine Sonne sein könne;
imgleichen mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daß die höhern Planeten, weil sie teils meistens größer
sind, teils aus verdünnterem Stoffe gebildet worden als die niedrigern, mehr innere Wärme als diese haben
können, welche sie auch, (da sie von der Sonne beinahe nur Licht genug zum Sehen bekommen), zu bedürfen
scheinen. Auch würde uns die gebirgigte Bildung der Oberflächen der Weltkörper, auf welche unsere
Beobachtung reicht, der Erde, des Mondes und der Venus, aus atmosphärischen Eruptionen ihrer
ursprünglich erhitzten chaotisch-flüssigen Masse, als ein ziemlich allgemeines Gesetz erscheinen. Endlich
würden die vulkanischen Eruptionen aus der Erde, dem Monde und sogar der Sonne (deren Kraters WILSON
in den Flecken derselben sah, indem er ihre Erscheinungen wie HUYGHENS die des Saturnringes, sinnreich
untereinander verglich), ein allgemeines Prinzip der Ableitung und Erklärung bekommen.
Wollte man hier den Tadel, den ich oben in BUFFONS Erklärungsart fand, auf mich zurückschieben, und
fragen: Woher kam denn die erste Bewegung jener Atomen im Weltraume? so würde ich antworten, daß ich
mich dadurch nicht anheischig gemacht habe, die erste aller Naturveränderungen anzugeben, welches in der
Tat unmöglich ist. Dennoch aber halte ich es für unzulässig, bei einer Naturbeschaffenheit, z. B. der Hitze der
Sonne, die mit Erscheinungen, deren Ursache wir nach sonst bekannten Gesetzen wenigstens mutmaßen
können, Ähnlichkeit hat, stehenzubleiben, und verzweifelterweise die unmittelbare göttliche Anordnung zum
Erklärungsgrunde herbeizurufen. Diese letzte muß zwar, wenn von Natur im ganzen die Rede ist,
unvermeidlich unsere Nachfrage beschließen; aber bei jeder Epoche der Natur, da keine derselben in einer
Sinnenwelt als die schlechthin erste angegeben werden kann, sind wir darum von der Verbindlichkeit nicht
befreit, unter den Weltursachen zu suchen, soweit es uns nur möglich ist, und ihre Kette nach uns bekannten
Gesetzen, solange sie aneinanderhängt, zu verfolgen.
I. Kant_.
Lesarten
Drucke:
Über die Vulkane im Monde, by Immanuel Kant 5
1. Berlinische Monatsschrift. März-Heft 1785. S. 199-213.
2. Kants kleine Schriften. Neuwied 1793. Haupt. 8o. S. 51-68.(5)
(5) Ak. hat den Druckfehler: S. 58-61.
3. I. Kant. Zerstreute Aufsätze. Frankfurt und Leipzig 1793. S. 37-50.
4. I. Kant. Sämmtliche kleine Schriften. 4 Bände. Königsberg und Leipzig (Voigt, Jena) 1797-98. 8o. Bd. III,
S. 173-188.
5. I. Kants vermischte Schriften. 3